Der Jahreskalender eines Testers ist gut durchorganisiert. Zunächst wird ein Land in Gebiete aufgeteilt, die von mir und meinen Kollegen besucht werden. Wie alle Tester, die an den Michelin-Führern mitarbeiten, lege ich pro Jahr etwa 30.000 Kilometer zurück. Mein Pensum umfasst 250 Mahlzeiten in Restaurants und 160 Hotelübernachtungen. Daneben besuche ich 600 weitere Hotels und Restaurants.
Meine erste Reise beginnt im Herbst. Ich bin drei Wochen unterwegs, danach eine Woche im Büro, um meine Aufzeichnungen zu aktualisieren und die nächste Reise vorzubereiten. Dieser Ablauf wiederholt sich. Ich lege die Anzahl der Besuche fest und plane die Reise. Ich stelle die Adressen zusammen, die besondere Aufmerksamkeit verdienen, da es eventuell um eine Empfehlung geht.
Detaillierter Zeitplan
Der Zeitplan ist detailliert, jedoch nicht starr, da Überraschungen nie auszuschließen sind. Für den Fall, dass ein Hotel oder Restaurant ausgebucht ist oder schlechtes Wetter dazwischenkommt, plane ich Alternativen ein.
Pro Tag besuche ich bis zu sieben Hotels oder Restaurants, große wie kleine – unangekündigt. Es gibt keine Sonderbehandlung. Die Dauer des Besuchs liegt zwischen 30 Minuten und 2,5 Stunden – je nachdem, wie lange ich brauche, um das Haus zu besichtigen, mit dem Chef zu sprechen, den Betrieb kennenzulernen und festzustellen, welche Änderungen vorgenommen wurden.
Kurz gesagt, ich mache mir ein Bild davon, wie das Hotel oder Restaurant arbeitet. Nach jedem Besuch schreibe ich einen Bericht, der sowohl praktische Informationen als auch meine – durch Argumente abgesicherte – Einschätzung enthält.
Bewertung basiert auf klar definierten Kriterien
Neben dem persönlichen Geschmack lasse ich mich bei meinem Qualitätsurteil von konkreten Kriterien leiten: Empfang, inneres und äußeres Erscheinungsbild, Ausstattung, Sitzsituation, Service, Instandhaltungszustand, betriebliche Abläufe und Atmosphäre. Alle diese Aspekte charakterisieren das, was man Komfort nennt und im Falle von Hotels mit 1–5 Häuschen bzw. bei Restaurants mit 1–5 Besteck-Symbolen benotet wird. Die Frage, die ich mir stelle, ist stets dieselben: Würde ich es jemandem empfehlen?
Der Empfang fällt jedes Mal anders aus: mal mehr, mal weniger angenehm, jedoch stets informativ. „Wir sehen Sie ja nie. Ich nehme an, wir werden wohl keinen Stern bekommen“, erklärte mir einmal eine Hotelchefin, nachdem ich mich vorgestellt hatte. „Dass Sie uns nicht sehen, heißt nicht, dass wir nicht da sind“, gab ich zurück.
Neben den „offiziellen“ Besuchen gehe ich auch anonym in Restaurants essen und bezahle ebenso unerkannt wie alle anderen Gäste meine Rechnung. Nicht immer lüfte ich danach mein Inkognito. Oft gehe ich so, wie ich kam – als namenloser Gast.