Marsala - Auf der Jagd nach dem roten Thun

Foto: © David Monjou

Marsa Allah - Hafen Gottes - nannten die Sarazenen die kleine Hafenstadt an der Südwestküste Siziliens. Sie gründeten sie 827 nach Christus auf den Ruinen einer römischen Festung.

Heute heißt das Städtchen Marsala und liegt in der Provinz Trapani. Die 81.000 Einwohner leben vom Weinanbau, von der Olivenölproduktion und vom Fischfang. Der Küstenstreifen zwischen Marsala und Trapani gehört zu den fischreichsten Gewässern Italiens. Riesige Thunfische werden hier gefangen. Ab Mitte Mai wandern die großen Schwärme durch den Canale di Sicilia, die Meerenge zwischen dem afrikanischen Kontinent und der Südwestküste der Insel.

Für die Fischer beginnt dann die Hochsaison. Jeden Tag - sofern es das Wetter zulässt - fahren sie hinaus und legen ihre Langleinen aus. Tausende von Köderhaken an Kunststoffschnüren, die bis zu 50 Kilometer lang werden. Diese moderne Variante der Hochseefischerei hat vor vielen Jahrzehnten die sogenannte Mattanza abgelöst. Bei dieser traditionellen Fangmethode wurden die Thunfischschwärme mit riesigen Netzen in die Camera della Morte, in die Todeskammer, getrieben. Anschließend hievten die Fischer die zentnerschweren Kolosse mit langen Dreizacken in die Boote. Ein blutiges, ein grausames Spektakel.

Der tonno, der heute vor Sizilien gefangen wird, ist immer noch zu einem großen Teil der begehrte Blauflossenthunfisch, der wegen seines tiefroten Fleisches auch Roter Thun genannt wird. Große Exemplare können bis zu drei Meter lang und 700 Kilogramm schwer werden.

Bei ‚Eurofisch‘ in Marsala werden in der Hochsaison täglich 50 bis 60 Thunfische verarbeitet. Die mit dem feinsten und fetthaltigsten Bauchfleisch (Ventresca di Tonno) werden in Styropor-Kästen unter Eis verpackt und binnen Stunden nach Japan exportiert. Ein Tag später liegen sie bereits auf dem größten Fischmarkt der Welt, dem ‚Tsukiji‘ in Tokio. Die Restaurants in Asien zahlen Höchstpreise für den Roten Thun. Bei den Auktionen werden nicht selten 150.000 Euro für einen einzelnen Fisch bezahlt.

Wie in Japan spielt der Thun in der trapanesischen Küche eine wichtige Rolle. Man nennt ihn auch das ‚Schwein der Meere‘. Nichts wird von dem kostbaren Fisch weggeworfen. Selbst die Gräten werden zu Fischleim verarbeitet. Sein Fleisch erinnert in Farbe und Konsistenz an Kalbfleisch. Das beste Stück vom Thunfisch, das Filet, sollte man nur kurz von beiden Seiten anbraten. Innen muss er roh bleiben. Liegt er zu lange in der Pfanne, wird das teure Fleisch trocken.

Auf den Fischmarkt in Marsala wird Thunfisch auch geräuchert oder als Salami angeboten. Salame di Tonno, die nur mit Salz und Pfeffer gewürzt wird, essen die Sizilianer mit ein wenig Olivenöl und Zitronensaft. Nicht jedermanns Sache dagegen ist Lattume. So wird das Sperma der männlichen Thunfische genannt. Lattume wird dünn aufgeschnitten und mit Brot gegessen.

Eine Delikatesse ist Bottarga. Der Rogen des Thunfischs wird gesalzen, an der Sonne getrocknet und in Form gepresst. Man raspelt ihn wie Trüffel über Pastagerichte, über Tomaten mit Olivenöl, über Pizza oder reicht ihn als Carpaccio. 100 Gramm Rogen bester Qualität kostet auf dem Fischmarkt in Marsala etwa 13 Euro.

Text: Thomas Fischer-Fabian